Zum Dresdner Brückenstreit

Otto Kastorff - Bad Schwartau, März 2007

Um sich ein verständiges Urteil im Brückenstreit zu bilden, ist es empfehlenswert, sich auch über die länger zurückliegende Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die UNESCO und über deren besonderen Charakter mit seinen Auswirkungen bis in die heutige Zeit einen Überblick zu verschaffen.

Tatsache ist, dass der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland - besser die Aufnahme der BRD - in die UNESCO auf Antrag des Bundeskanzlers Adenauer vom 1.12.1950 bei der Alliierten Hohen Kommission zum 11.7.1951 auf der 6. Generalkonferenz in Paris geschah (das englische Protokoll hat als Datum des Beschlusses in der 8. Sitzung den 22.6.1951, das französische den 23.6.1951). Möglich war die Teilnahme, weil die Alliierten das Besatzungsstatut zum 6. März 1951 geändert und die Bundesregierung ermächtigt hatten, außenpolitische Interessen umfassender als bisher und ohne Kontrolle wahrzunehmen. Aus diesen Tatsachen rührt auch die sonderbare Konstruktion der Vertretung. Mitglied ist die Bundesrepublik durch ihre nationale UNESCO-Kommission, diplomatisch vertreten durch einen Botschafter.

Die Aufnahme in die UNESCO beendete für Engländer und Franzosen die mit der deutschen Kriegserklärung begründete Feindschaft. Die Amerikaner erklärten erst im Oktober 1951 das Ende des Feindstatus, nachdem sie das Wirken der Kommission einige Zeit beobachtet hatten. Und für die Bundesrepublik bedeutete die Aufnahme die Rückkehr in die Völkergemeinschaft, den Kreis der zivilisierten Völker, aus dem das Deutsche Reich nach Beitritt 1926 im Jahre 1933 (!) ausgetreten war.

Die Deutsche UNESCO-Kommission war längere Zeit vor der Aufnahme von den Alliierten Hohen Kommissaren gegründet worden und die UNESCO hatte mit ihrer Hilfe bereits im Sommer 1950 ihre Arbeit in der Bundesrepublik aufgenommen. Die Kommission war von Beginn an aus bestellten Mitgliedern von Bund - einschließlich Botschafter - und Ländern zusammengesetzt, ergänzt um weitere von diesen gewählten Mitgliedern. Die aktuelle Liste ist auf der Homepage der Deutschen UNESCO-Kommission zu finden. Mit anderen Worten: Die Länder waren von Beginn an in der Kommission vertreten und nahmen so in den Ausschüssen und in den Debatten der Generalversammlung an ihren Beschlüssen teil.

Zurückzuführen ist diese Konstruktion auf den Einfluss der Amerikaner. In ihrem Besatzungsgebiet entstanden die ersten Bundesländer. Auf ihren Wunsch und ihr Drängen wurde vom Parlamentarischen Rat eine föderale Verfassung im Grundgesetz formuliert. Gänzlich waren sie mit dessen endgültig gewählter Form nicht einverstanden. Dies ist der Beurteilung im Bericht des Hohen Kommissars zu 1951 zu entnehmen. Das Wirken der UNESCO im Bildungssektor sollte die autoritäre Struktur der Deutschen ändern, über die in Berichten der Hohen Kommissare öfter referiert wird.

So war bei Beratung und Beschluss der Vollversammlung über die Welterbekonvention die Ständige Kultusministerkonferenz (KMK) der Bundesrepublik mit Vertretern ihrer Ausschüsse ebenso beteiligt wie Vertreter der Bundesregierung. Absicht bei dem Beschluss der Konvention war und ist es, den Schutz der Kulturgüter nicht nur im Kriegsfall zu sichern, sondern auch dem beobachtbaren schleichenden Verfall oder der Bedrohung durch Großbauten entgegenzuwirken - aktuell war seinerzeit der Untergang oberägyptischer Kulturgüter durch den Bau des Assuan-Staudammes. Daher betont die Konvention das Zusammenwirken einerseits und die Verpflichtung der Mitglieder zum Erhalt ihrer Kulturgüter und gegenseitiger Unterstützung andererseits.

Die Deutsche UNESCO-Kommission gab in Zusammensetzung und Arbeit das Vorbild für das Lindauer Abkommen, welches die Rechte der Länder in der Außenpolitik in ähnlicher Weise auf weiteren Gebieten sichert. Da das Abkommen über die Welterbekonvention weder ein politischer Vertrag ist noch Aufgaben von Bundesregierung oder von Bundesbehörden berührt, sondern solche der Länder umfasst, kann es von der Bundesregierung nicht für sich sondern im Namen und Auftrag der Länder unterzeichnet sein. Dies geht auch daraus hervor, dass für alle Bundesländer der Vorbehalt, die finanziellen Leistungen betreffend, mit der Ratifikationsurkunde hinterlegt wurde, was wiederum voraussetzt, dass eine entsprechende Willenserklärung von Länderseite - 'Kamingespräche' der MPK oder ähnlich - vorlag. Unmittelbare Verpflichtungen gingen von dem Abkommen weder für die Bundesregierung noch für die Länder aus und ein Anwendungsbefehl war ergo nicht notwendig.

Mittelbare Verpflichtungen aus der Welterbekonvention entstanden mit der Aufgabe, für Gedanken und Inhalt zu werben. Die Bundesregierung richtete daher bereits 1973 das Deutsche Nationale Komitee für Denkmalschutz ein, das seit über dreißig Jahren vorbildliche Aufklärung leistet. 1983, mit den ersten Eintragungen in die Welterbeliste, wurde dann die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gegründet, die seither ebenso vorbildlich Mittel für den Erhalt gefährdeter Baudenkmäler einwirbt. Beide Einrichtungen stehen unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Erschreckend ist es, wenn es bei diesen außerordentlichen Bemühungen beider Einrichtungen um Aufklärung über Denkmalschutz und Sicherung von Denkmälern in ihrem Bestand, Mandatsträger gibt, die in simpler Art den Unterschied zwischen einem Museum und einem Denkmal verkennen, oder die Arbeit der Einrichtungen herabsetzen!!

Teils irrige Vorstellungen herrschen auch über Inhalt und Geltung der Konvention. Die Artikel 1 und 2 beschreiben notwendigerweise, was materiell Welterbestätte sein kann. Damit wird konkret die Aufgabe gestellt, aus der Zahl der möglichen Objekte auf den in den Artikeln genannten Feldern diejenigen zu bestimmen, deren Verlust oder Untergang als nicht verwindbarer Mangel in der Entwicklung der menschlichen Kultur anzusehen wäre.
Um es drastisch auszudrücken: Nicht eingetragen werden können als Kulturgüter moderne Kriegsschiffe, Unterseekabel, Ölpipelines; oder als Kulturlandschaften sind Autobahnkreuze, Golden-Gate-Bridge mit An- und Abfahrten, Tagebaue ebenso ausgeschlossen. Ohnehin sollte die Liste ursprünglich nur ca. 100 Objekte enthalten, wie z. B. die Pyramiden etc., kurz die kulturellen 'Weltwunder'.

Was Welterbe ist, unterliegt der Beurteilung des Komitees. Die Zusammenarbeit der Mitglieder des von der Konvention vorgesehenen und den Mitgliedstaaten eingerichteten 'Welterbe-Komitees' war von Beginn, weil mit Fachleuten und ohne 'Nord-Süd-Gefälle' oder 'Ost-West-Gegensatz' besetzt, sehr fruchtbar und effektiv.
Anders als in der nationalen Denkmalpflege, wo ein öffentliches Interesse für die Eintragung maßgeblich ist, werden Welterbestätten in die Welterbeliste nur auf Antrag des Denkmaleigentümers aufgenommen. Die Welterbekonvention weist daraufhin, dass nicht aufgenommene Denkmäler ihre Denkmaleigenschaft nicht verlieren und ihre außerordentliche Wertschätzung als Denkmäler behalten. Entsprechendes ist den bisherigen Fällen von Ablehnung aus den Begründungen zu entnehmen.
Keineswegs kommt den Stätten mit dem Antrag der Welterbestatus zu, wie im Gerichtsverfahren (OVG-Urteil März 2007) geäußert wurde. Und ebensowenig ist der Status nach der Anerkennung unveränderlich, wie ebenfalls geäußert wurde. Ebenso wie in den Mitgliedstaaten nach nationaler Gesetzgebung untergegangene Denkmäler aus den Verzeichnissen gestrichen werden, kann das Welterbekomitee Denkmäler aus der Welterbeliste streichen, wenn sie seiner Beurteilung nach untergegangen sind.

Eigene materielle Beurteilungen, wie in einem Gutachten vorgenommen, sind daher unmaßgeblich, insbesondere wenn sie ohne eigene Sachkenntnis aus der Stellungnahme eines Parteienvertreters abgeleitet werden. Hier sei daran erinnert, dass in einer Vorstellung des Wettbewerbsergebnisses diese Brückenbefürworter den Gutachtern der UNESCO-Kommission durchaus konform feststellen:
"Der östlich vom Stadtzentrum gelegene Elbraum ist ein außerordentlich bedeutender Naherholungsbereich und wird am Brückenstandort als wertvoller Erlebnisraum betrachtet. Charakteristisch sind in diesem Stadt- und Landschaftsraum die äußerst attraktiven Blickbeziehungen. Stadtauswärts erstreckt sich in diesem Bereich der Loschwitzer Elbhang mit den Dresdener Elbhangschlössern. Von diesen wiederum bietet sich über den Standort Waldschlößchen hinweg ein reizvoller Blick auf die Stadtsilhouette.
Bestimmend für das Fluidum am Elbestrom sind die Wechselbeziehungen zwischen den weiten Elbwiesen, den Fuß- und Radwegen entlang der Uferzonen sowie die interessanten Blickbeziehungen zum Strom und zur Stadt- und Landschaftssilhouette." Eine klare Beschreibung von dem, was zerstört werden soll!

Zur Eintragung in die Welterbeliste ist der Antrag des Eigentümers der Welterbestätte, sei es Kulturerbe oder sei es Naturerbe, notwendig. Dies geschieht nicht wie bei einem jährlichen Wettbewerb 'Unser Dorf soll schöner werden' auf Zeit, und die Eintragung bedeutet nicht 'Titel' oder Blumenorden etc. Sondern die eingetragenen Denkmäler sollen auf Dauer erhalten bleiben und den Menschen zugänglich sein.

Im Falle Dresdens und des Elbtales, ein Welterbe, dass mit vier Kriterien eingetragen wurde (schon eine Besonderheit!), sind es die Stadt Dresden und sonstige Körperschaften einschließlich der Staatsregierung, die das eingetragene Gebiet u.a. auch mit Eigentum repräsentieren. Der Antrag war freiwillig, und wurde von der Stadt Dresden nach Aufforderung durch den Regierungspräsidenten als dem Vertreter der Landesregierung auf dem vorgesehenen Weg: Landesregierung/Kultusminister - KMK - Deutsche Botschaft bei dem UNESCO - Welterbekomitee gestellt. Damit ist nun aber auch eine Anerkennung der unmittelbaren Wirkung der Konvention verbunden, anders ist ein Antrag nicht möglich. Das Verfahren wurde vom Freistaat Sachsen völkerrechts- und verfassungskonform gehandhabt.

Den Unterlagen ist zu entnehmen, dass das Welterbekomitee Dresden mit großem Wohlwollen aufgenommen hat und dabei das besondere Kriegsschicksal und den Wiederaufbau aus Zeiten der DDR und aus jüngster Zeit recht gewürdigt hat. Den Unterlagen, soweit zugänglich, ist aber auch zu entnehmen, dass sie unvollständig waren und die 'Waldschlößchenbrücke' in der Kartendarstellung, die das Denkmalgebiet festlegt, nicht enthält. Eine mündliche Unterrichtung des Berichterstatters war unzureichend. Diese Umstände, da nachträglich bekannt geworden, müssen zur Verärgerung der Komiteemitglieder beigetragen haben.

Treu und Glauben im Völkerrecht werden durch das Abstreiten rechtlicher Wirkungen sehr strapaziert.
Die Stadt Dresden kann die Verträge nicht aufkündigen, auch der Bürgerentscheid in einer Sachfrage - freie Fahrt für freie Bürger - reicht dazu nicht; dies hätte sonst Teil seines Inhalts sein müssen. Der Freistaat Sachsen müsste, wollte er das Welterbekomitee ignorieren können, seinen Rücktritt von der Welterbekonvention erklären, dabei alle Folgen übernehmen. Schmähungen derart, daß die UNESCO mit ihren Einrichtungen unmaßgeblich sei, zeugen von Unkenntnis!

De facto kann und will das Welterbekomitee keinerlei Zwang ausüben. Das Übereinkommen beruht ja gerade auf der geäußerten Bindung an Vorstellungen einer allen Menschen gemeinsamen humanen Kultur! Bedauerlich ist es, dass das Mediationsverfahren ohne brauchbares Ergebnis abgebrochen wurde.

Im Urteil drückt das OVG an mehreren Stellen aus, dass die Entscheidung in der Sache von ihm nicht getroffen werden kann. In der Zwickmühle zwischen Termindruck und Entscheidungszwang neigte es zu dem Antrag des Regierungspräsidenten. Das Urteil bindet die Ausführung an die Darstellung des Bauvorhabens in den Abstimmungsunterlagen, nicht an das Planfeststellungsverfahren. Änderungen gegen diese Darstellung, geänderte Ausführung etc. machen den Bürgerentscheid möglicherweise hinfällig!

Letztlich entscheiden kann nur das BVerfG über die innerstaatliche Rechtswirkung des eingegangenen Vertrages und sich also für eine möglicherweise zu beachtende Bindung der Regierung des Freistaates Sachsen, ihres Regierungspräsidenten und der Stadt Dresden an die Welterbekonvention aussprechen oder andererseits für die Bindung an den Bürgerentscheid. Darin ist das Gericht frei. Es gibt keine Präzedenz und jeder Fall, so auch dieser, ist ein Einzelfall, wie das Gericht es in einem Urteil selbst ausgesprochen hat. Die klaren frühen Urteile des BVerfG aus 1952 lassen hoffen.

M i t g l i e d e r   |   I m p r e s s u m