Reaktionen: Welterbe-Titel ist akut gefährdet

Sächsische Zeitung vom 29. April 2006

Nach dem kritischen Aachener Gutachten sehen viele Stadträte die Chance auf den Titel Weltkulturerbe endgültig schwinden.

Das kritische Gutachten der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen zur Waldschlößchenbrücke und zum Welterbestatus ist im Pariser Büro der Unesco eingetroffen. Die Pressesprecherin Gina Doubleday bestätigte dies am Freitagnachmittag. Die Unesco messe dem Gutachten große Bedeutung bei. Es lasse wichtige Rückschlüsse auf das zu schützende Gebiet zu, werde aber – wie üblich – erst kurz vor der entscheidenden Konferenz im Juli in Vilnius/ Litauen an die Mitglieder des World Heritage Committee ausgegeben.

Für viele Stadträte ist das ein gutes Signal, wenn die Entscheider die Unterlagen gar nicht so genau lesen können. Das Gutachten stellt der Wirkung der Waldschlößchenbrücke ein vernichtendes Urteil aus (siehe Kasten). Peter Lames (SPD) sieht die Chancen Dresdens auf den Weltkulterbe-Titel schwinden. „Wenn es so weitergeht, sehe ich schwarz.“ Es sei höchste Zeit, die Bedenken ernst zu nehmen und in geschickter Weise einen Dialog mit der Unesco zu führen. „Stattdessen schulmeistert die Stadt die Unesco in einer Weise, die nicht förderlich ist.“ Die Stadtverwaltung schreibt in ihrer Stellungnahme, „Fehlentscheidungen“ würden das Gütesiegel Welterbestätten entwerten. Das demokratische Selbstverständnis der Unesco könne Schaden nehmen, wenn bereits gefallene Dresdner Entscheidungen nicht respektiert würden.

Noch weniger optimistisch zeigt sich Andre Schollbach (Die Linksfraktion.PDS). „Der Titel Weltkulturerbe ist in akuter Gefahr.“ Schollbach rechnet damit, dass Dresden auf die Rote Liste des Welterbes kommt. Darin werden besonders gefährdete Objekte aufgenommen.

Politische und verkehrspolitische Erwägungen seien in dem Gutachten nicht berücksichtigt, kritisiert Helfried Reuther. Es sei zu einseitig. Die CDU gehe dennoch davon aus, dass die Brücke gebaut wird und die Stadt den Welterbe-Titel behält. Ein weiteres klärendes Gespräch zwischen OB Ingolf Roßberg (FDP) und Francesco Bandarin, dem Direktor des Pariser Welterbezentrums, soll noch vor der entscheidenden Sitzung stattfinden.

Eva Jähnigen (Bündnis 90/Grüne) hingegen sagt, das Gutachten habe Roßberg endgültig widerlegt. Brückenbau und Kulturerbe seien nicht vereinbar, dieser Konflikt müsse gelöst werden – notfalls durch einen neuen Bürgerentscheid, der die Informationen aus dem unabhängigen Aachener Gutachten berücksichtige.

Petra-Alexandra Buhl

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