Das Regierungspräsidium Dresden (RP) entspricht mit seiner Entscheidung, das Vergabeverfahren für alle Baulose des Verkehrszuges Waldschlößchenbrücke (WSB) in Gang zu setzen, den Vorgaben, die das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen, der Sächsische Verfassungsgerichtshof und jüngst das Bundesverfassungsgericht zur Abwägung zwischen Welterbekonvention und Bürgerentscheid gemacht haben. Danach ist dem Vollzug des Bürgerentscheides Vorrang gegenüber dem etwaigen Verlust des Weltkulturerbestatus einzuräumen. Die Landeshauptstadt ist verpflichtet, die 2004 planfestgestellte Brücke zu bauen.
Dennoch gibt es immer neue Versuche, den Brückenbau am Waldschlößchen zu verhindern. So wird der Öffentlichkeit gegenwärtig suggeriert, nur mit einer alternativen Brücke oder einem Tunnelprojekt wären Welterbestatus und Bürgerentscheid miteinander vereinbar. Diese Aktionen für gleich zwei neue, einander aber ausschließende und fernab der bestehenden Sach- und Rechtslage angesiedelten Projekte sind aber lediglich geeignet, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen.
Wenn Ende Februar 2008 die Bindefrist des Dresdner Bürgerentscheides zum Bau der WSB ausläuft, haben die Brückengegner im Dresdner Stadtrat die Möglichkeit, durch einfachen Stadtratsbeschluss den Bau jeglicher neuen Elbquerung am Waldschlößchen zu verhindern oder zumindest auf unabsehbare Zeit zu verschieben. Ein rechtliches Vorgehen, das sich auf den Bürgerentscheid von 2005 bezieht, ist gegen diese offene Düpierung einer direktdemokratischen Entscheidung dann nicht mehr möglich. Deshalb mühen sich die Brückengegner, um einen Bauaufschub bis zu diesem Zeitpunkt zu erreichen. Sie verstecken ihre Absicht dabei augenblicklich hinter einem vermeintlich erreichbaren Kompromiss mit dem Welterbekomitee, der durch ein Entgegenkommen Dresdens zustande kommen soll. Dieser Weg jedoch ist rechtlich verlegt und sachlich ein Gang ins Ungewisse.
Weder Tunnel noch alternative Brücke werden im Rahmen der verbleibenden Zeit bis zur Auslaufen der Bindefrist des Bürgerentscheides zur Bauausführung kommen können. Sicherheit dafür, dass überhaupt die von Dresdnern mit großer Mehrheit gewünschte Elbquerung am Waldschlößchen entsteht, bietet allein die unverzügliche Vergabe der Bauaufträge für das 2004 planfestgestellte Brückenvorhaben. Deshalb geht das RP auch genau diesen Weg und setzt damit die höchstrichterlichen Beschlüsse um. Ein anderes Handeln des RP wäre schlicht rechtswidrig.
Eine weitere Verzögerung des Brückenbaus droht unabsehbaren Schaden an den Institutionen und Regeln des demokratischen Rechtsstaates zu verursachen. Das RP kann und wird deshalb das rechtswidrige Handeln, das im Dresdner Stadtrat im Zusammenhang mit dem Thema WSB schon zur Gewohnheit geworden ist, nicht dulden.
Das RP verwahrt sich im Zusammenhang mit dem Thema WSB gegen die böswillige Unterstellung, nach der dem RP an einer bewussten Brüskierung des Welterbe-Komitees gelegen wäre und das Haus absichtsvoll an der Aberkennung des Welterbetitels für das Dresdner Elbtal arbeite.
Tatsache ist: Das Welterbekomitee hat einander ausschließende Entscheidungen in den Jahren 2004 (Verleihung des Welterbetitels an das Elbtal bei Dresden) und 2006 (das Dresdner Elbtal wird die Rote Liste der bedrohten Welterbestätten gesetzt) auf der Grundlage exakt gleicher Kenntnisse über Standort, Dimensionierung und Gestalt der 2004 planfestgestellten WSB getroffen. Ein solcher Sinneswandel ist aus der Sache selbst heraus nicht zu erklären.
Dies gilt um so mehr, als mehrere wesentliche Fehler des Aachener Gutachtens zur Einschätzung der Auswirkungen der WSB auf das Dresdner Elbtals bereits vor der Vilniuser Entscheidung des Komitees 2006 öffentlich bekannt gewesen sind. Das Aachener Gutachten war von Dresden auf Veranlassung des Welterbekomitees in Auftrag gegeben worden, um die Auswirkungen der WSB auf das Elbtal noch einmal zu prüfen und lieferte für die Vilniuser Entscheidung, das Dresdner Elbtal auf die Rote Liste bedrohter Weltkulturgüter zu setzen, die wichtigsten Argumente.
Dieses Gutachten stellt jedoch eine Reihe unzutreffender Behauptungen auf und nutzt diese dann im Rahmen der Argumentation gegen eine Brücke am Waldschlößchen. So wird beispielsweise unterstellt, dass die WSB der Aufnahme überregionalen Verkehrs dienen solle. Dies ist unzutreffend. Außerdem wird im Gutachten eine einheitliche Gestaltungslinie der bestehenden innerstädtischen Elbbrücken behauptet. Tatsächlich aber kann lediglich für drei der sechs innerstädtischen Brücken (Albert- und Augustusbrücke sowie die Straßen-Marienbrücke) eine relativ einheitliche Formensprache bestätigt werden. Die Carolabrücke, die Bahn-Marienbrücke und das Blaue Wunder hingegen stellen bautechnisch wie formensprachlich jeweils Unikate dar. Eine Einzelstellung der WSB als „Sonderling“ unter den Dresdner Innenstadtbrücken ist von daher eine nicht nachvollziehbare Einordnung durch die Aachener Gutachter. Diese Einordnung stellt jedoch ein wesentliches Argument für das abschließende Urteil des Gutachtens über die WSB dar.
Darüber hinaus führen die Fakten der Aachener Visualisierung keineswegs zwingend zu den Schlussfolgerungen, die dieses Gutachten abschließen. Von zehn untersuchten Standorten konnten die Gutachter nämlich lediglich bei dreien überhaupt eine Einschränkung relevanter Sichtbeziehungen konstatieren. Dabei haben die Gutachter überhaupt nur einen kleinen Bruchteil des sich über 19 Kilometer Länge erstreckenden Welterbegebietes in ihre Betrachtung einbezogen (1).
Zusätzlich ist dem Welterbe-Komitee in den Unterlagen zur Vilniuser Tagung entgegen der tatsächlichen Lage suggeriert worden, die Pläne für die WSB seien neuesten Datums und wären zum Zeitpunkt der Bewerbung Dresdens um den Welterbetitel noch nicht bekannt gewesen. Ferner ist den Komiteemitgliedern gegenüber im Vorfeld der Vilniuser Entscheidung von ICOMOS kommuniziert worden, die WSB sei seit dem 19. Jahrhundert stadtintern stets wegen des „Einflusses auf das Elbtal fallen gelassen“. Diese für das „Brückenklima“ in der Stadt sehr wesentliche Aussage entspricht in keiner Weise den historischen Tatsachen. Das Komitee hat diese und weitere krasse Fehlinformationen jedoch offenbar ernst genommen, den Sachverhalt einer vermeintlich neuen Brücke im Elbtal möglicherweise auch als Affront aufgefasst und demgemäß reagiert (2).
Es stellt sich natürlich die Frage, ob ein Urteil, dass in wesentlichen Punkten auf falschen Annahmen beruht und daraus folgend eine eigene frühere Entscheidungen des Komitees völlig konterkariert, im Komitee selbst einer objektiven Nachprüfung standhalten würde.
Im Mediationsverfahren im Rahmen des OVG-Prozesses zur WSB haben die Mediatoren unter der Regie einer deutschen UNESCO-Vertreterin bedauerlicherweise keine konstruktive Haltung entwickelt. Entgegen den ausdrücklichen Vorgaben des OVG für diese Mediation ignorierten die Mediatoren den Bürgerentscheid und die zur WSB getroffene Planfeststellung als Ausgangspunkt ihres Vermittlungsauftrages. Damit wurde auch die letzte reale Chance eines Kompromisses zum Thema WSB vergeben. Im gleichen Papier lehnten die Mediatoren übrigens auch eine Tunnelllösung für die Waldschlößchen-Elbquerung als unvereinbar mit dem Welterbestatus für das Dresdner Elbtal ab (3).
Wenn die UNESCO nun andeuten lässt, eine alternative Brückenlösung am Waldschlößchen möglicherweise akzeptieren zu wollen, erhebt sich die Frage, woher dieser Sinneswandel rührt. Es ist nicht erkennbar, inwiefern der favorisierte BauVorschlag von Schlaich den Haupteinwand des Welterbekomitees gegen die WSB aus der vorjährigen Vilniuser Tagung ausräumt. Damals hatte das Gremium in unmittelbarer Anlehnung an das Aachener Gutachten als wesentliche Begründung für die Verwarnung an Dresden ausgeführt, dass eine Brücke an dieser Stelle den Elbbogen an seiner empfindlichsten Stelle zerschneidet und das Dresdner Elbtal irreversibel in zwei Hälften teilt. An diesem Sachverhalt ändert der jetzt von der Stadt favorisierte Alternativvorschlag nichts.
Aus alledem können zwei Schlussfolgerungen abgeleitet werden:
1. Das RP hat rechtlich keinen Handlungsspielraum mehr, auf so genannte Kompromissvorschläge zur Elbquerung am Waldschlößchen einzugehen. Die WSB muss in der 2004 planfestgestellten Form gebaut werden - und zwar unverzüglich.
2. Der Welterbe-Titel muss Dresden damit nicht zwangsläufig verloren gehen. Ansatzpunkt für den Erhalt des Welterbetitels für das Elbtal sind allerdings nicht Korrekturen an der geplanten Elbquerung, sondern eine Überprüfung der auf Grund falscher Annahmen und Voraussetzungen getroffenen Entscheidung der Vilniuser Tagung des Welterbekomitees, das Dresdner Elbtal auf die Liste bedrohter Welterbestätten zu stellen.
(1) Stritzke, Schnabel u.a.: Stellungnahme zum Gutachten zu den visuellen Auswirkungen des Verkehrszuges Waldschlößchenbrücke auf das UNESCO-Weltkulturerbe "Elbtal Dresden", Dresden, Mai 2006
(2) Antworten des amtierenden Oberbürgermeisters Dr. Vogel auf die schriftliche Anfrage (Nr. 1478/2007) von Stadtrat Steffen Kaden vom 10.5.2007
(3) Mediationsverfahren Dresdner Waldschlößchenbrücke - Ergebnis Sachverständigengruppe, Dresden, Januar 2007
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