Erbe, das bedeutet Bereicherung und Verantwortung. Eine komplizierte Binsenweisheit. Drum sieht sich ausgerechnet Denkmalschutz-Musterschüler Deutschland derzeit mehrfach im Focus der Welterbe-Kommision.
Vier Anlässe, vier Perspektiven: Der Limes im Südwesten hat seine Ernennung gerade Schwarz auf Weiß bekommen. Regensburg sieht in froher Erwartung der Aufnahme ins Welt-Kulturerbe entgegen. In Köln stehen die Zeichen auf Entwarnung, weil es so aussieht, als würde der Dom den Sprung von der Roten Liste schaffen. In Dresden scheint es, als wolle die Unesco ein Exempel statuieren: Erstmals droht die Aberkennung des Welterbe-Status, sollte die Landeshauptstadt den Bau der Waldschlösschenbrücke durchziehen. Entsprechend hoch ist das Erregungspotenzial. Zumal die Parallelität der Vorgänge Ungerechtigkeit wittern lässt. Köln rückt ja nicht vollständig ab vom Plan, diesen oder jenen Blick aufs Wahrzeichen zu verstellen. Aber die Fälle unterscheiden sich bei näherer Betrachtung erheblich: Am Rhein geht es um ein Bauwerk, in Sachsen um eine Landschaft. Und diese Landschaft, das erst 2004 geadelte Elbtal, soll an einer ihrer schönsten Stellen von einer Brücke durchschnitten werden, über deren ästhetischen Mehrwert sich streiten ließe.
Streiten lässt sich indes auch über den Nutzen des Welterbe-Status. Denn hier prallen zwei Philosophien aufeinander: Die Unesco sieht das Erbe vor allem als Verpflichtung zur Erhaltung. Das ist in letzter Konsequenz so, als dürfe man in Großvaters Häuschen nach dessen Ableben keine neue Heizung einbauen. Dresden dagegen sieht offenkundig zuvörderst den bereichernden Werbetrumpf im Kampf um Touristen. Denen hilft im Zweifelsfalle auch die Brücke, weil sie mit ihr weniger im Stau stehen. Aber das, mit Verlaub, kann und muss der Welterbe-Kommission egal sein.
Dennoch scheinen die Fronten nicht zuletzt aus Gründen kleinlicher Sturheit verhärtet. In Dresden schimpft man über ungebührliche Einmischung, bei der Unesco hätte man beizeiten gefragt werden wollen. Zumal der Vorwurf im Raum steht, im Bewerbungsverfahren habe man getrickst, die Brücke die Elbe andernorts queren lassen. Wie auch immer: Mit Blick auf den Limes stellt sich brennend die Frage nach dem praktischen Nutzen des Welterbe-Status. Da ist ein Bauwerk aufgenommen worden, das es seit 1500 Jahren nicht mehr gibt. Und wenn irgendwo ein Wachturm rekonstruiert, oder ein Mauerrest ausgegraben wird, schreien sie auf, die Wächter des Welterbes. Das wird dem Tourismus kaum Auftrieb verleihen.Aber fürs Selbstwertgefühl ist die Auszeichnung schön.
In Dresden ist es umgekehrt: Ob eine Aberkennung dem Tourismus wirklich schadet, bleibt abzuwarten. Aber der Ausschluss aus dem Kreis der weltkulturellen Klassenbesten wird Wunden schlagen, deren Narben noch auf Generationen jucken.
Peter Korfmacher