Die Unesco hat noch einmal eine Art Frist für Dresden eingeräumt. Sehen Sie die Möglichkeit eines Verzichts auf die umstrittene Brücke?
Die Unesco hat eine Chance eröffnet, Schaden vom Weltkulturerbe abzuwenden. Diese Chance muss nun von der künftigen Dresdner Oberbürgermeisterin, dem Regierungspräsidium sowie der sächsischen CDU genutzt werden.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, aus den zahlreichen juristischen Fallen herauszukommen?
Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum die Alternative eines Tunnels nicht gebaut werden soll. Ein Tunnel würde erstens die Verkehrsprobleme lösen, wie es ein großer Teil der Dresdner sich wünscht, nämlich eine Entlastung des Blauen Wunders. Der Tunnel könnte zweitens den Konflikt mit der Unesco vermeiden und die Schönheit des Elbtals erhalten. Und drittens ist Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee bereit, die daraus entstehenden Mehrkosten zu Lasten des Bundes zu übernehmen.
Warum will man diese Lösung nicht in Anspruch nehmen?
Eine formale Antwort von Juristen würde wohl lauten, dass das Oberverwaltungsgericht Bautzen letztinstanzlich entschieden hat, dass der Bürgerentscheid von 2005 umgesetzt werden muss.
Gibt es Ihrer Meinung nach die Möglichkeit, ein neues Verfahren zu eröffnen?
Juristen sollten in einer so wichtigen Frage, in der es um Kultur, Politik und das Ansehen des Kulturstaates Deutschland geht, nicht das letzte Wort haben. Der Volksentscheid hat seine Bindekraft mit Anfang diesen Jahres verloren. Wir befinden uns in einer neuen Situation. Kein Gericht der Welt darf dazu beitragen, dass Deutschland vertragsbrüchig wird.
Die Bundesregierung hat gestern noch einmal bekräftigt, dass sie die Angelegenheit als eine regionale Sache betrachtet.
Da muss ich energisch widersprechen. Die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragspartner der Welterbe-Konvention. Der Bund ist in einer politischen Pflicht. Bei einem Verstoß gegen die Konvention ist nicht nur Dresden geschädigt, sondern der Kulturstaat Deutschland.
Woher rührt die Zurückhaltung der Kanzlerin, des Kulturstaatsministers und des Regierungssprechers?
Ich kann darin leider nur parteipolitische Gründe erkennen.
Es gibt einen Bürgerentscheid von 2005, und die Unesco fordert nun einen neuen Bürgerentscheid. Kann der Schutz des Kulturerbes überhaupt von Plebisziten abhängig gemacht werden?
Deutschland ist einem internationalen Vertrag beigetreten, der durch Plebiszite nicht aufgehoben werden sollte. Der politische Fehler bestand darin, dass der Gesichtspunkt Unesco-Vertrag beim Bürgerentscheid keine ausreichende Rolle gespielt hat.
Interview: Harry Nutt