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Offener Brief vom 10. August 2007

Wissenschaftler der Dresdner Museen protestieren gegen den Bau der Waldschlößchenbrücke

Wir -- eine Gruppe von WissenschaftlerInnen und MitarbeiterInnen an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden -- haben mit größter Sorge die Entwicklungen um den Status des Dresdner Elbtals als kulturelles "Welterbe" registriert. Wird die Waldschlößchenbrücke in der geplanten Form gebaut, so wie es die sächsische Landesregierung bislang vorsieht, wird die UNESCO dem Elbtal seinen Titel als Welterbe aberkennen.

Wir protestieren weiter gegen den geplanten Bau dieser Brücke. Wir sind überzeugt, dass diese Brücke und die zu erwartende UNESCO-Aberkennung einen durch nichts zu rechtfertigenden Ansehensverlust für Dresden, für Sachsen und für Deutschland darstellen.

Zutiefst beunruhigt uns eine Haltung, die die Brüskierung der UNESCO und den Verlust des Welterbe-Titels wissentlich in Kauf zu nehmen scheint. Als Mitglieder des internationalen Museumrats ICOM, dessen nationale Sektion Teil der Deutschen UNESCO-Kommission ist, fühlen wir uns den Zielen dieser Organisation verpflichtet: dem Erhalt, der Pflege und der Vermittlung des Welterbes aus Kultur und Natur.

In der seit Jahren geführten Diskussion haben international renommierte Architekten, Denkmalpfleger und Stadtplaner ihre Kritik an der geplanten Elbüberquerung geübt und alternative Vorschläge eingebracht. Diese zeigen, dass der Bau der Brücke in der zu realisierenden Form vielen strukturellen, verkehrsplanerischen und ästhetischen Forderungen nicht Genüge tut. Leider wurden diese Argumente durch ein eher lokal geprägtes Denken ignoriert. Seit Jahrhunderten lebt die Dresdner Kultur vom offenen Austausch der Ideen. Dresden darf sich nicht als selbstgenügsame kulturelle Einheit sehen, sondern muss den nationalen und internationalen Dialog ernst nehmen.

Als Historiker und Kunsthistoriker, die beruflich mit der Pflege des hiesigen Kulturerbes befasst sind, wissen wir aus den überlieferten Darstellungen in den bildenden Künsten, dass das Elbtal nicht unverändert geblieben, sondern als Kulturlandschaft über die Jahrhunderte hinweg gewachsen ist. Wir wenden uns daher nicht gegen jede Veränderung, fordern aber einen behutsamen Umgang mit dem einzigartigen kulturellen Erbe, den wir in den zu realisierenden Plänen massiv verletzt sehen.

Es sind nicht nur die Bauwerke und Kunstsammlungen, die den internationalen Ruf Dresdens ausmachen, es ist genauso die Symbiose von Architektur und Landschaft, von Stadt und Natur. Wir erhoffen uns daher ein deutliches Signal, dass der Freistaat Sachsen zu dieser Kulturlandschaft und zu den Verpflichtungen steht, die ihre Aufnahme als Weltkulturerbestätte begründeten. Wir plädieren für die Wiederaufnahme einer ergebnisoffenen Diskussion über den Bau der Brücke statt des sofortigen Baubeginns. Wir nehmen lieber eine daraus resultierende Verzögerung von einigen Jahren in Kauf als für Generationen des Erbes beraubt zu werden.

Den Aufruf unterstützen bisher:

Roland Enke
Dirk Gedlich
Franziska-Luise Günther
Dr. Andreas Henning
Elisabeth Herrmann
Katharina Hoins
Dr. Manfred Hoß
Dr. Annika Johannsen
Michael John
Dr. Jutta Kappel
Dr. Thomas Ketelsen
Dr. Michael Korey
Konstanze Krüger
Dr. Hans-Ulrich Lehmann
Anette Loesch
Dr. Gilbert Lupfer
Martina Miesler
Cornelia Munzinger-Brandt
Karina Peschel
Dr. Peter Plaßmeyer
Bettina Probst
Lars Rebehn
Dr. Rainer G. Richter
Dr. Thomas Rudert
Carolin Schilde
Claudia Schmidt
Dr. Claudia Schnitzer
Dr. Dagmar Sommer
Dr. Eva Ströber
Sandra Thomas
Dr. Anne Veltrup
Dr. Jutta Charlotte von Bloh
Silke Wagler
Dirk Weber
Dr. Moritz Woelk
Dr. Theresa Witting

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