Zielstellung des Freistaates Sachsen bei der Antragstellung im Jahre 2002:
Die UNESCO soll die Brücke bedingungslos akzeptieren.
Die Waldschlößchenbrücke sollte nach dem Willen der Sächsischen
Landesregierung durch die UNESCO bedingungslos akzeptiert werden.
Andernfalls, so die damalige Botschaft an die UNESCO, werde ein Antrag
auf die Zuerkennung des Titels "Welterbe Dresdner Elbtal" gar nicht erst
gestellt.
Realität: Der Konzeptbaustein "Brücke akzeptieren" war für die UNESCO
rechtlich und verfahrenstechnisch nicht annehmbar.
Die UNESCO war und ist nicht berechtigt, eine "blinde Zusage" zu machen.
Ihr Handeln basiert ausnahmslos auf Fachgutachten und festgeschriebenen
Verfahrensschritten.
Modifizierte Zielstellung der Sächsischen Landesregierung:
Konzept "Beeinflussung der Fachgutachter" anwenden
Drei Fachgutachter der internationalen Denkmalorganisation ICOMOS, die
bereits zu DDR-Zeiten mit der Dresdner Denkmalpflege zusammengearbeitet
hatten, wurden von Sachsen frühzeitig für den Dresdner Antrag und das
Tolerieren der Brücke gewonnen. So konnte Sachsen die sonst übliche
eigenständige Benennung der Vorgutachter durch ICOMOS umgehen.
Die Begründung für das Tolerieren der Brücke durch Gutachterin Friedrich: "Natürlich haben wir ein Auge zugedrückt, denn wir wollten dem Dresdner Anliegen doch keine Steine in den Weg legen (Aussage zur Podiumsdiskussion im George-Bähr-Forum der TU Dresden im Jahre 2007). Dass es Alternativen zur Brücke gab, zahlreiche Tunnelvarianten, deren Machbarkeit bereits in den Jahren 1996, 2002 und 2003 nachgewiesen wurde, aber auch alternative Brückenstandorte, wurde den Gutachtern damals verschwiegen. Auch das Ausmaß der Brücke wurde ihnen vorenthalten." Vorgutachter Jukka Jokilehto: "Allerdings muss ich sagen, dass mir das ganze Ausmaß an Beeinträchtigung der Integrität der Elblandschaft durch die geplante Waldschlösschenbrücke damals nicht bewusst war. Bei meinem Besuch in Dresden im Herbst 2003 war zwar der Bau der Brücke beschlossene Sache, doch das Planfeststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Ich habe mir den Brückenstandort vom Raddampfer aus angesehen, auch Visualisierungen des Brückenprojektes und die Zielsetzung des Brückenwettbewerbs von 1997 zur Kenntnis genommen. Detaillierte Planungen aus dem Planfeststellungsverfahren wurden mir damals jedoch nicht vorgelegt" (Jahresbericht 2007, George-Bähr-Forum). Das UNESCO-Antragsverfahren beinhaltete neben dem Element "Vorgutachten" eine zweite Hürde: Vorlage des Antrages zur Jahrestagung des UNESCO-Welterbekomitees, auf der 21 Delegierte aus unterschiedlichen Ländern das Dokument diskutieren und über die Anerkennung des Welterbetitels abstimmen. Dabei sind die Delegierten frei in ihrer Meinungsbildung und müssen nicht den Empfehlungen der Vorgutachter von ICOMOS oder dem Standpunkt des Pariser Welterbezentrums folgen.
Um auch diese Hürde zu nehmen, hat die Sächsische Landesregierung in den eingereichten Tagungsunterlagen die Ausführungen zur Waldschlößchenbrücke auf ein Minimum reduziert und wesentliche Eckdaten wie folgt modifiziert:
1. Die Visualisierung in Richtung Elbbogen erfolgte so, dass nicht die
wiederentstandene Frauenkirche, sondern der vormalige Zustand abgebildet
war. Bei diesem war am Horizont ein rauchender Fabrikschornstein zu sehen.
2. Statt der einzigartigen Auenlandschaft wurde eine bis 1999 oberhalb
der Elbwiesen vorhandene Kleingarten-Sparte gezeigt.
3. In der Beschreibung wurde die Lage der Brücke am westlichen Rande des
Welterbegebietes angegeben statt in seinem räumlichen Zentrum.
4. Im Stadtplan wurde die Brücke als solche nicht namentlich kenntlich
gemacht. So war sie nur eine unter fünf langfristig geplanten,
namenlosen Flussquerungen.
Ergebnis: Die Delegierten haben an Hand der Unterlagen nicht erkennen können, dass zwischen Brücke und Welterbe ein Konflikt besteht. So folgten sie den Empfehlungen der Vorgutachter und stimmten im Juli 2004 auf ihrer 29. Jahrestagung in Suzhou/China für die Zuerkennung des Welterbetitels.
Aufdeckung der unsauberen Antragstellung und das Inkrafttreten der
vorgeschriebenen UNESCO-Regularien zur Bewahrung des Welterbes
Der weltweite Protest von Fachleuten und lokalen Wissensträgern gegen
die unsaubere Verfahrensweise war auch in Paris nicht zu überhören.
Da die UNESCO für einen solchen Fall an vorgeschriebene Verfahrensregeln gebunden ist, hat sie im September 2005 die Anwendung dieser Regeln verfügt.
- Der erste Schritt sah ein erneutes Fachgutachten vor, dessen Basis
eine wissenschaftlich korrekte Analyse des Stadt- und Landschaftsbildes
sowie eine umfassende Auswertung der Dokumente des
Planfeststellungsverfahrens war.
- In einem vorgeschriebenen Auswahlverfahren loste die Dresdner
Verwaltungsspitze unter fünf anonymen Gutachtern die
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen aus.
- Das Gutachten wurde von Februar bis April 2006 unter Mithilfe der
Dresdner Stadtverwaltung erstellt. Im Ergebnis stellt der Gutachter
fest: Der Bau der Waldschlößchenbrücke und die Erhaltung des Dresdner
Welterbes sind miteinander nicht vereinbar.
Im Vorfeld zur 30. Jahrestagung des UNESCO-Welterbekomitees fordert das
Pariser Welterbezentrum ein weiteres Gutachten bei der internationalen
Denkmalorganisation ICOMOS an. Auch hier wird das gleiche
wissenschaftliche Ergebnis erzielt: Brücke und Welterbe sind miteinander
nicht vereinbar.
Auf Basis der beiden Gutachten hat das Welterbekomitee im Juli 2006 (30.
Jahrestagung in Vilnius) das Dresdner Elbtal auf die Rote Liste der
gefährdeten Welterbestätten gesetzt und Deutschland aufgefordert, der
UNESCO alle in der Vergangenheit untersuchten Alternativen zur geplanten
Brücke vorzulegen, insbesondere die Tunnelvarianten.
Plan B des "Pro Brücke"-Lagers: Die UNESCO diskreditieren
Die Verärgerung darüber, dass das Konzept der beeinflussten
Antragstellung nicht aufgegangen war, führte das politische Lager der
Brückenbefürworter noch enger zusammen. Deren rigoroses Vorgehen
zugunsten des Brückenbaues löste Befremden vor Ort, in Deutschland und
in der Welt aus.
Plan B dieses politischen Lagers sah offenbar vor, der UNESCO
Unredlichkeit und Willkür zu unterstellen und die Aberkennung des
Welterbetitels als nicht nachteilig darzustellen.
Umsetzung Plan B
Im Schulterschluss mit wesentlichen Teilen der lokalen Presse hat das
politische Pro-Brücke-Lager im Jahre 2005 die öffentliche Meinung derart
zu Gunsten des Brückenbaues beeinflussen können, dass ein von ihm
initiiertes Referendum im Gegensatz zu der gegen die Brücke votierenden
Stadtratsmehrheit für die Brücke ausging.
Durch seine Möglichkeit, auch mit der sächsischen Justiz auf Tuchfühlung
zu gehen, ist es dem Pro-Brücke-Lager gelungen, die Hauptverfahren von
49 Klagen gegen die Waldschlößchenbrücke auf die lange Bank schieben zu
lassen. Erst heute, drei Jahre nach Einreichung der Klagen und einer
nunmehr seit elf Monaten im Bau befindlichen Brücke, laufen die
juristischen Hauptsacheverfahren an.
Mit seinen Möglichkeiten, mit dem Regierungspräsidium "eine Sache" zu
machen, hat das politische Pro-Brücke-Lager den Dresdner Stadtrat, der
sich 2007 und auch noch 2008 mehrheitlich für das Welterbe und gegen
eine das Welterbe zerstörende Brückenlösung aussprach, entmündigt und
den Bau der Brücke per Ersatzvornahme anordnen lassen.
Die Verärgerung des politischen Pro-Brücke-Lagers über das gescheiterte
Verschleierungskonzept der Antragstellung verstärkte sich weiter, als
die UNESCO auf ihrer 32. Jahrestagung in Quebec den deutschen
Vertragsstaat aufforderte, den begonnenen Brückenbau zu stoppen und
endlich dem Alternativprojekt Tunnel entgegenzusehen, für das sich 2008
über 50.000 Dresdner in einem Bürgerbegehren ausgesprochen hatten.
So verschärfte das politische Pro-Brücke-Lager seit Juli 2008 seine
Angriffe auf die UNESCO, deren Verwaltungsspitze man als
undemokratisches, selbstherrliches und von antidemokratischen Kräften
instrumentalisiertes Gremium bezeichnete.
Die (neue) Lösung des Konfliktes:
Der nunmehr angezeigte Weg besteht darin, dass sich der deutsche
Vertragsstaat für die bisherige Handlungsweise des Freistaates Sachsen
bei der UNESCO entschuldigt und in konstruktive Verhandlungen zur Lösung
des Konfliktes eintaucht. In diesem Sinne sollte auch die
Bundesregierung umgehend aktiv werden und die geplanten weiteren
Gespräche der Dresdner Oberbürgermeisterin mit dem Pariser
Welterbezentrum diplomatisch, konstruktiv und lösungsorientiert
begleiten. Dabei sollten die aktuellen Ausarbeitungen der TU Dresden,
die über die Tunnelalternative Auskunft geben, zugrunde gelegt werden.
Über sie informieren auch die Vereine Elbtunnel Dresden e.V.
(www.elbtunnel-dresden.de) und Grüne Liga Sachen e.V.
(www.welterbe-erhalten.de).
Noch immer ist der begonnene Brückenbau, der zu zwei Dritteln aus Zufahrtstunneln besteht, in einen Volltunnel zuzüglich einer Fußgänger- und Fahrradbrücke zwischen den Elbradwegen wandelbar, ohne dass die dadurch entstehenden Mehrkosten den Zehnprozent-Bereich des Gesamtvorhabens überschreiten. Nachdem nun die Bindefrist des Bürgerentscheides von 2005 abgelaufen ist, kommt dem Dresdner Stadtrat die Mission zu, die völkerrechtliche Verpflichtung Deutschlands zum Erhalt des Welterbes per Tunnelbeschluss umzusetzen.