So lesen sich verbale Ohrfeigen: "Zudem würde sich der Freistaat Sachsen widersprüchlich verhalten, wenn er einerseits als Kulturstaat an der Erlangung des Weltkulturerbes durch Stätten in seinem Gebiet mitwirkt, andererseits sich daraus ergebende Verpflichtungen pauschal negiert." So heißt es in einer Mitteilung des Verwaltungsgerichts Dresden, das mit seinem gestrigen Beschluss einen ersten Paukenschlag lieferte in der juristischen Auseinandersetzung um Brücke und Erbe. Das Gericht bescheinigte dem Regierungspräsidium, "ermessensfehlerhaft" gehandelt zu haben. Das RP hatte im Zuge der Ersatzvornahme die sofortige Vergabe der Bauleistungen angeordnet. Aus der RP-Begründung für den Sofortvollzug ergebe sich die Auffassung, die Welterbe-Konvention entfalte allein völkerrechtliche Verpflichtungen für den Bund. Sachsen sei aber nach den Grundsätzen der Bundestreue und der völkerrechtlichen Auslegung des Grundgesetzes verpflichtet, "bei der Ausübung von Ermessen zu berücksichtigen, ob der Bund in die Gefahr einer völkerrechtlichen Vertragsverletzung gerät", urteilt das Gericht. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) hatte am vergangenen Freitag das Verhalten des RP verteidigt: "Was das Land tut, ist der Vollzug von Recht und Gesetz."
Unesco-Entscheidung hat neue Sachlage geschaffen
Die Ersatzvornahme ist nun vom Tisch. Die Bauleistungen für die Brücke dürfen vorerst nicht vergeben werden. Für die Dauer von Gesprächen mit dem Welterbe-Komitee sei es legitim, von der Schaffung vollendeter Tatsachen abzusehen, befinden die Richter. Die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts stellt außerdem fest, dass die Stadtratsbeschlüsse nicht rechtswidrig sind, nach denen der Oberbürgermeister zu weiteren Verhandlungen zum Erhalt des Welterbestatus beauftragt und das Vergabeverfahren ausgesetzt wurde, heißt es. Und erstmals bestätigt ein Gericht, was viele schon gesagt hatten: Mit der Entscheidung des Welterbekomitees in Vilnius, das Dresdner Elbtal auf die Rote Liste zu setzen, ist eine neue Sachlage geschaffen worden.
Es ist anzunehmen, dass gegen denBeschluss des Verwaltungsgerichts Widerspruch eingelegt wird, die nächste Instanz ist das Oberverwaltungsgericht. Die Juristen werden weiterhin das Sagen haben.
Minister Neumann schließt Machtwort des Bundes aus
Dass der Bund mit einem Machtwort eingreift, um den Welterbetitel zu retten, schloss am Dienstagabend Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) in Dresden aus: "Wie stellt man sich das vor, sollte der Bund mit Zwangsvollstreckung gegen das Land Sachsen und die Stadt Dresden vorgehen? So kann man nicht miteinander umgehen, das lehne ich ab. Solche Dinge müssen ausdiskutiert werden. Alles andere hielte ich für falsch", sagte er. Auf eine mögliche Moderatorenrolle in der Auseinandersetzung angesprochen, meinte der Minister: "Soll ich mich da selbst aufdrängen? Es hat mich doch keiner gefragt." Er sagte noch: "Ein Moderator kann alles falsch machen." Neumann sieht die Suche nach einem Konsens zwischen Dresden und derUnesco nicht als Einbahnstraße, beide müssten aufeinander zugehen.
Inzwischen liegt eine neue Umfrage vor, die eine völlig neue Tendenz widerspiegelt. Das MDR-Kulturmagazins "artour" ließ 1000 Dresdner befragen. 58 Prozent von ihnen sprachen sich gegen den Bau der Brücke aus. Nur noch 39 Prozent sind dafür.
Heidrun Hannusch