Als Mitglied der japanischen Kulturagentur "Japan Arts" ist Miu Inui derzeit in Dresden, um Vorbereitungen für die Tournee der Sächsischen Staatsoper nach Japan zu treffen. Im November wird diese mit "Rosenkavalier" , "Salome" und "Tannhäuser" in Tokio und Yokohama gastieren. Holger Radke hat sich mit Miu lnui über Dresdner Kultur, japanische Reisevorlieben und die Bedeutung des Welterbetitels unterhalten. In Japan gibt es im übrigen 13 Welterbestätten. Die bekanntesten sind der Adelssitz Himeji-jo, das Friedensdenkmal in Hiroshima und die Baudenkmäler und Gärten der Kaiserstadt Nara. 2005 wurde die Halbinsel Shiretoko im Norden Hokkaidos in die Liste aufgenommen.
Frage: Sie waren 1991 erstmals in Dresden und besuchen nun bereits zum sechsten Mal die Stadt. Welchen Eindruck haben Sie heute?
Miu Inui: Nachdem die Frauenkirche und um sie herum vieles wieder aufgebaut ist, finde ich es sehr reizvoll. Interessant ist, dass die Stadt mit jeder Veränderung noch schöner geworden ist, aber ihre Atmosphäre bewahrt hat.
Sie mögen die Verbindung von nach historischem Vorbild Nachgebautem und architektonisch Neuem?
Ja, denn ich bin etwas altmodisch und würde mich immer dafür einsetzen, das Alte zu erhalten Im Vergleich zu Japan haben die Menschen hier einen großen Aufwand betrieben, dies zu wahren.
Glauben Sie, dass sich Besucher aus Japan gerade deshalb für Dresden interessieren?
Davon bin ich überzeugt. Diese Atmosphäre findet man in Japan selten und macht Dresden attraktiv. Aber die Menschen kommen auch wegen der Geschichte nach Dresden, die in Ansätzen mit der japanischen vergleichbar ist. Diese Verbindung von Geschichte und Atmosphäre hinterlässt einen großen Eindruck.
Dresden ist also bekannt in Japan?
Die europäische Kultur ist sehr bekannt. Da stehen natürlich Wien oder Paris ganz oben, auch Städte aus dem westlichen Teil Deutschlands. Dresden ist in Japan wegen seiner Musik besonders bei Musikfans beliebt, Japaner kennen die Staatskapelle, Semperoper und die Philharmonie.
Wegen der Musik sind auch Sie hier Was genau ist Ihre Aufgabe?
Ich arbeite für eine Musikmanagement-Agentur in Japan, die die Sächsische Staatsoper nach Japan einlädt. Das wird im November sein, und ich bin hier, um dafür Vorbereitungen zu treffen. Außerdem singt die Tokioter Sopranistin Maki Mori, deren Managerin ich bin, die Sophie im "Rosenkavalier".
Aktuell ist Dresdens Weltkulturerbetitel in Gefahr, nachdem das Oberverwaltungsgericht den Bau der Waldschlößchenbrücke angeordnet hat...
Es gibt hier eine Debatte darüber, dass die Brücke die Schönheit des Elbtals zerstört und womöglich den Verlust des Welterbetitels bedeutet. Und die sächsische Regierung scheint sich nicht besonders dafür einzusetzen, dass der Titel in Dresden bleibt. Offenbar sind sie sehr vom Namen und vom Ruf der Stadt überzeugt. In Japan werden hingegen alle erdenklichen Anstrengungen unternommen, um einen solchen Titel zu bekommen und dann auch zu halten.
Glauben Sie, dass das Weltkulturerbe in Japan insgesamt höher geschätzt wird?
Genauso ist es. Ich schätze an Dresden nicht nur die Altstadt, sondern auch die Flusslandschaft, die Elbwiesen. Das bildet eine Einheit. Die Brücke kann man an jedem anderen Punkt der Welt bauen.
Die Brücke würde die Attraktivität des Elbtals - besonders auch aus touristischer Sicht - beschädigen?
Mit Sicherheit. Dresden und eigentlich ganz Ostdeutschland unterscheidet sich stark von Westdeutschland. Es hat eine entspanntere, relaxtere Atmosphäre und eine sehr intelligente Art, das Alte, Traditionelle und die Kultur zu schützen. Aber Jahr für Jahr passt sich der Ostteil mehr dem Westen an und verliert damit etwas von seiner kulturellen Atmosphäre. Das ist ein Problem, das man sehr ernst nehmen sollte.
Ist der Welterbetitel ausschlaggebend für die Reiseplanung japanischer Touristen?
Für die Werbung ist er sehr wichtig. In Japan haben wir eine sehr populäre Fernsehsendung über Welterbestätten. Viele Menschen stimmen ihre Reisen danach ab. Der Wert einer Stadt und das Vertrauen darin steigt, wenn sie eine Welterbestätte beherbergt.
Der Verlust des Titels würde Dresden weniger attraktiv machen?
Der Titel bürgt für die Attraktivität einer Stadt, ist sozusagen ein Garant dafür, dass es sich lohnt, diesen Ort zu besuchen. Wenn man in Japan eine Reise nach Deutschland plant. dann schaut man, wo es Welterbestätten gibt. Am Rhein zum Beispiel oder in Weimar. Der Welterbetitel hat eine hohe Reputation in Japan.
Könnten Sie sich eine Diskussion, wie sie in Dresden über den Brückenbau geführt wird, in Japan vorstellen?
Das gab es bei uns, aber jedesmal hat sich die Regierung für das Welterbe eingesetzt. Wir haben aber auch schon die Erfahrung machen müssen, dass die Welterbestätte "Shirakawago" (ein historisches Dorf, ca. 200 Kilometer westlich von Tokyo, HR.) so viele Touristen anzog, dass sie ihren Reiz und ihre Attraktivität verloren hat. Ein solcher Titel hat Vor- und Nachteile. Trotzdem hoffe ich für Dresden, dass es eine andere Lösung gibt, die nicht den Verlust des Welterbetitels bedeutet.