Vilnius/Dresden. Die Kulturlandschaft Dresdner Elbtal steht auf der Roten Liste gefährdeter Welterbe-Stätten. Das hat das Unesco-Welterbekomitee gestern in Litauens Hauptstadt Vilnius in seiner 30. Sitzung entschieden. Das Komitee forderte Deutschland dringend auf, das Bauvorhaben Waldschlößchenbrücke in Dresden zu stoppen und nach alternativen Lösungen zu suchen, um den Schutz der Kulturlandschaft Dresdner Elbtal sicherzustellen.
Das Welterbekomitee begründete seinenSchritt damit, dass die Waldschlößchenbrücke den "Wert und die Integrität des Erbegebiets" irreversibel schädigen würde. Nach einemAntrag des norwegischen Komiteemitglieds war die ursprüngliche Beschlussvorlage während derSitzung noch einmal verschärft worden. Über die Rote Liste hinaus wird Dresden nun angedroht, bereits in einem Jahr ganz von der Erbeliste gestrichen zu werden, sollte mit dem Bau der Waldschlößchenbrücke begonnen werden.
Mit dieser Verschärfung habe er nicht gerechnet, sagte den DNN nach derSitzung Baubürgermeister Herbert Feßenmayr (CDU), der in Vilnius die Stadtverwaltung vertrat. "Wir hatten keine andere Wahl, die Sache war kristallklar", erläuterte dagegen Tagungsleiterin Ina Marciulionyte die Entscheidung des Komitees.
Der knapp 20 Kilometer lange Flussabschnitt war 2004 in die prestigeträchtige Liste einzigartiger Kulturdenkmäler aufgenommen worden. Seit November 2005 jedoch hatte das Welterbezentrum Paris immer wieder Bedenken gegen die Brückenpläne geäußert.
Dresdner Politiker reagierten mit Kritik und Unverständnis auf die Unesco-Entscheidung. Der Stadtrat und Bundestagsabgeordnete Jan Mücke (FDP) sagte: "Ich bin davon ausgegangen, dass die Unesco sich an ihre eigenen Regeln hält." Die Stadt habe sich damals erst um den Welterbe-Titel beworben, als völlig klar war, dass der Bau der Brücke durch die Verleihung des Titels nicht gefährdet sei. Die Unesco konterkariere ihre eigenen Gutachten. Ähnlich reagierte Helfried Reuther (CDU), Sprecher der größten Fraktion im Dresdner Stadtrat: "Offensichtlich verkommt die Vergabe solch eines Titels zum Akt der Beliebigkeit. Am Gegenstand hat sich nichts geändert. Wir wollten nur das machen, was geplant ist." Der Bürgerentscheid für den Brückenbau binde zudem "mehr als der Titel", sagte Reuther. "Wir plädieren für die Brücke und würden die Aberkennung in Kauf nehmen."
Aus der Provinzposse Waldschlößchenbrücke sei eine internationale Frage geworden, erklärte Linke-Sprecher André Schollbach. Die Welt schaue auf Dresden. Die Zeit bis zur Welterbe-Sondersitzung des Stadtrates in der nächsten Woche solle genutzt werden, um reiflich zu überlegen, wie die Stadt nun vorgehen soll. Eva Jähnigen (Grüne) wirft der Dresdner Stadtspitze vor, zur Verschärfung des Konflikts beigetragen zu haben. Dresdens Ersatz-OB Lutz Vogel (parteilos) soll jetzt die geplante Vergabe der Bauleistungen für die Brücke von der Tagesordnung der Sitzung des Stadtrates nächste Woche nehmen.
heha/rare