Wie hältst du's mit dem Weltkulturerbe? Die in Dresden etwas heikel gewordene Frage steht bald wieder im Stadtrat zur Abstimmung. Und, Überraschung, diesmal geht es nicht um die Waldschlößchenbrücke. Sondern um die Postennummer 700.0006 im Entwurf für den städtischen Verwaltungshaushalt 2006, Bereich OB. Da ist zu lesen: "Zuweisungen und Zuschüsse (nicht für Investition) - Welterbe Dresdner Elbtal" und dahinter eine Summe: 106 000 Euro.
Es ist der zweite Versuch der Rathausspitze, doch noch ein Welterbezentrum zu etablieren. Der erste Vorstoß war im April an einer Stadtratsmehrheit gescheitert. Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) hatte daraufhin mit der ihm eigenen Direktheit die Neinsager "kulturelle Banausen" geschimpft. Dresdner Banausentum im Zusammenhang mit Weltkulturerbe fassen zwar vor allem überregionale Medien mittlerweile etwas weiter (siehe unten), aber zumindest hat Roßberg mit seinem Ausbruch eines gezeigt: Egal ist ihm das Weltkulturerbe ganz gewiss nicht.
Das im Haushaltsentwurf vermerkte Geld sei geplant für "Projektförderung als Anschubfinanzierung für einen Trägerverein zur Betreibung eines Welterbezentrums (Lohn- und Sachkostenzuschuss) sowie einen Zuschussanteil an die DWT für die überregionale Vermarktung des Welterbes Dresdner Elbtal", teilt auf DNN-Anfrage die Pressestelle der Stadt mit. Das Konzept für das Zentrum soll im Januar bei der Sitzung des Welterbe-Kuratoriums beraten werden. Das Lingnerschloss als künftiger Sitz des Zentrums dürfte aber als gesetzt gelten.
"Wir stehen nach wie vor in den Startlöchern, wir haben dran geglaubt und die ganze Zeit weiter an der Konzeption gearbeitet" , sagt auf Anfrage Peter Lenk vom Lingnerschloss-Verein. Immerhin, erinnert er an den Herbst 2004, sei damals den Vertretern der Unesco dieses Zentrum im Schloss versprochen worden. Und sollte der Stadtrat erneut dagegen votieren, will der Schloss-Verein von sich aus aktiv werden und alternativ selbst etwas zum Thema Welterbe in dem Gebäude installieren, teilt Lenk mit.
Aber sehr gut möglich, dass die Chancen im Stadtrat jetzt besser stehen. Man kennt das ja, Wertebewusstsein steigt proportional mit Verlustängsten - zumindest ist das bei sensibleren Naturen so. Und außerdem ist mitten im Streit um mögliche Schrammen, die die Waldschlößchenbrücke ins Erbe schlagen könnte, die Stimmung nicht danach, schlechte Signale an die Unesco auszusenden. Fatal wäre nur, wenn im schlimmsten Fall der Fälle am Ende vom Welterbe nur noch das Zentrum übrig bliebe. Ein Ex-Titelträger lässt sich einfach nicht optimal vermarkten.
Inzwischen hält das bundesweite Medieninteresse am Disput um das Dresdner Weltkulturerbe und die Waldschlößchenbrücke an. Hier einige Auszüge:
Tagesspiegel "Die geplante, 157 Millionen Euro teure ,Waldschlösschenbrücke', eine ordinäre Stadtautobahn quer über Elbe und Auen, droht das grandiose Panorama zu zerstören, kaum dass es die Frauenkirche neuerlich schmückt. Das Weltkulturerbe Mittleres Elbetal... ist damit Anwärter auf die ,Rote Liste' der Verschandeler. Und ganz wie in Köln suchen sich Dresdens Obere mit Kleinkram herauszureden, der in Paris zum Glück niemanden interessiert. Die Unesco verlangt nämlich eine Gegenleistung für ihr tourismusförderndes Gütesiegel: ganz einfach, dass die Politik es ernst nimmt... In Dresdens Rathaus heißt es aufwachen, ehe es zu spät ist. Im Glanz der Frauenkirche sich zu sonnen, ist das eine. Das andere ist die Pflicht, lokale Verkehrsprobleme hintenanzustellen - weil zu bewahren gilt, was nicht umsonst Weltkulturerbe heißt."
Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Die Brückengegner wittern Morgenluft, hoffen sie doch, den Welterbetitel als Geheimwaffe in einem eigentlich bereits verlorenen Kampf einsetzen zu können... Doch nun rät die Unesco den Dresdnern dringend, den Termin zu verschieben. Zunächst müsse geklärt werden, ob sie in ihren Bewerbungsunterlagen ehrlich und ausführlich über das Vorhaben berichteten. Auch erwartet sich die Unesco zusätzlich ein ,Visualisierungsgutachten'. Doch wer sehen wollte, konnte stets sehen. Wieso sich die Unesco nicht umfassend informiert fühlt, erschließt sich deshalb nicht ohne weiteres."
Stuttgarter Zeitung: "Zwar soll sich das Bauwerk extra flach in die Landschaft schmiegen und den Canaletto-Blick auf das Altstadtpanorama kaum stören, doch der Zauber der Elblandschaft wird durch das Bauwerk jedenfalls massiv gestört - optisch sowieso und sicher auch durch den Verkehrslärm. Kaum vorstellbar, dass die Unesco-Experten sich damit anfreunden ... Gefragt bei der Pflege der Welterbestätten sind jedoch nicht nur die Städte und Gemeinden, sondern auch die neue Bundesregierung. Denn durch die UN-Konvention zum Schutz des Kulturerbes von 1972 hat sich die Bundesrepublik verpflichtet, sorgsam mit den Kulturschätzen auf ihrem Territorium umzugehen. Dieses internationale Abkommen gilt auch in Dresden, Köln und rund um die Wartburg. Es kann nicht nur Provinzpolitikern überlassen bleiben, den Begriff Weltkulturerbe nach Gutdünken auszulegen..."
Heidrun Hannusch